Opa Mo

  • 17 .Jul .2016
Es gibt Hunde, die berühren einen schon vom ersten Blick auf einem Bild und Mo war so ein Hund.
Ich sah ihn und wusste sofort, ich wollte ihm helfen, mit seinen dunklen Knopfaugen löste er definitiv den Beschützerinstinkt bei mir aus. 
 
Mich macht bis heute fassungslos, dass man einen solchen Hund einfach in der Tötung abgeben kann, weil man ihn nicht mehr braucht, er zu alt ist, was auch immer für dumme Rechtfertigungen, die niemals welche sein können.
Und noch schlimmer fand ich, dass er Jahre in einem winzigen Käfig zubringen musste, ohne Liebe, Zuwendung und Auslauf.
Er gehörte ebenfalls zu den Vergessenen und wenn Ana sich seiner nicht angenommen hätte, hätte ich ihn nie kennengelernt.
 
Wir fanden zügig eine Pflegestelle bei Sigrid für ihn und dort fand er sofort Menschen, die ihn adoptieren wollten.
Leider zeigte sich erst in Deutschland, in was für einer schlimmen körperlichen Verfassung er da bereits war. Kaum Fell, viele offene Stellen, durchgetretene Gelenke und massiv Wasser im Bauchraum.
Somit war schnell klar, dass keiner die richtigen Voraussetzungen für ihn hatte, obwohl man überall, wo man ihm begegnete, sehr berührt war von ihm.
Aber Liebe alleine reichte in dem Fall leider nicht.
Er brauchte vor allem die Möglichkeit, ebenerdig rein und raus zu können und viel Erfahrung im Umgang mit solchen Hunden und so holten wir ihn zurück und er zog bei uns ein. 
 
Ich sehe ihn noch vor mir, als er Anfang Mai 2015 vollkommen gestresst mit Uwe hier ankam und ratlos in unserem großen Garten stand zwischen den anderen Hunden und mit der Weite hier vollkommen überfordert . 
Mo war eine Seele von Hund und er vertrug sich wirklich mit allem und jedem, nur einen besonders guten Leckerbissen wollte er nicht teilen und knurrte schon mal, aber das war eh seine größte Leidenschaft- Futter. :-)
 
Schnell war klar, dass er ziemlich sicher an Morbus Cushing leidet, aufgrund des Alters (er wurde auf 12 Jahre geschätzt von mehreren Seiten) und den extrem schlechten Allgemeinzustand, die durchgetretenen Gelenke und auch die zu erwartenden Nebenwirkungen haben wir uns in Absprache mit mehreren TA ,dazu entschieden ihm die für ihn sehr belastende Diagnostik mit ohnehin schon klarem Ausgang zu ersparen und ihm seine Zeit noch so schön wie möglich zu machen und ihn mit klassischer Homöopathie zu unterstützen.
Was bis zum Schluss sehr gut gelang.
An dieser Stelle wieder einmal vielen Dank an Helga Weyand, eine zuverlässige Stütze für mich und meine Hunde. Mit ihrer Hilfe konnten wir ihn 2x aus einer heftigen Krise holen. <3 
 
Er war ja nicht mein erster "Käfighund" und ich wusste auch dieses Mal von Anfang an, dass uns nicht viel Zeit bleiben würde, um die Wunden seiner Seele, so gut es geht, wieder in Ordnung zu bringen. 
Aus Luigi / Luis wurde Opa Mo, der Name war einfach sofort da und es brauchte eine Weile, bis er überhaupt verstanden hat, dass er gemeint war (egal mit welchem Namen), aber ich glaube, er mochte seinen Namen. 
 
Schnell entschied er, nicht mehr mit spazieren zu wollen und durchstreifte lieber in aller Ruhe den großen Garten. Bellte uns entgegen, wenn wir wiederkamen und kam uns am Zaun abholen - nein er bellte nicht, er heulte wie ein Seehund. ;-)
 
Eigentlich hatte er nur wenige Bedürfnisse, nie mehr alleine sein, Futter und die damit verbundenen Leckerlispiele und ein weiches, gemütliches Bett und ab und an ausgiebige Streicheleinheiten. Dann grub er einem seinen Kopf in die Hand und grunzte vor Begeisterung. Mo war einfach Mo, man hatte den Eindruck, er nahm das Leben wie es kam und machte immer das Bestmögliche daraus. 
So verwunderte es auch nicht, dass er hier sehr schnell ankam und verstanden hat, wie die Dinge hier laufen und seine festen Plätze eingenommen hat und uns stets rechtzeitig an die Mahlzeiten erinnert hat. Ein cooler, selbstbestimmter Hund, der im Rahmen seiner Möglichkeiten sein Leben genossen hat.
Er konnte lange noch mit Begeisterung Knochen kauen, liebte es, Leckerchen zu erschnüffeln und seinen Schnüffelteppich. Und da war er richtig gut drin in Nasenarbeit. Er konnte auch ganz schnell werden, wenn man sein Brot auf dem Tisch vergessen hat und ja, oft habe ich auch schmunzelnd weg geschaut und mich dran gefreut wie er Beute gemacht hat. Er war so stolz und selig dabei :-) 
Er lief, solange er konnte, seine Runden mit uns durch den Garten, wartete auf der Türmatte, bis wir vom Gassigehen wieder kamen, fand Schnee ziemlich doof und lag am liebsten am Hauseingang und schaute in die Weite und nahm so am liebsten am Alltagsgeschehen teil.
Nachts hatte er Angst im Dunkeln und so haben wir ihm immer ein Licht angelassen und manchmal schlief er auch mal gerne alleine und hatte seine Ruhe. Aber spätestens morgens rückte er dann auf, warf sich in das nächstbeste freie Hundebett und schlief weiter bis zum Frühstück :-) 
 
Mo war absolut sauber und auch als er immer schlechter laufen konnte, versuchte er nach Möglichkeit, raus zu kommen und auf keinen Fall irgendwas im Haus dreckig zu machen. 
Im Laufe der Zeit nahm der Bauchumfang zu und er lief auf seinen umgeknickten Unterschenkeln so gut und so schnell er konnte, das hat viele erschreckt, die ihn so gesehen haben. Ich fand ihn beeindruckend, er ließ sich seine Unabhängigkeit und seine Würde nicht nehmen und zeigte trotzdem große Lebensfreude und Lebenswillen. 
Seit April diesen Jahres wurde sein Radius zunehmend kleiner und er verlegte seine Aktivitäten ins Haus, immer öfter fehlte die Kraft, die einzige Schwelle aus der Haustür zu überwinden.
Wir legten überall Vetbeds für ihn hin, damit er nicht ausrutschte und er begann die Vetbeds als Ausscheidungsplätze zu nutzen, immer darauf bedacht, dass er das tat, wenn keiner von uns im Raum war. Immer öfter fehlte dann die Kraft, um von einem Raum zum anderen Raum hinterher zu kommen und er brauchte Hilfe. Er wurde mehr und mehr zum Pflegefall und es war ganz schlimm zu sehen, dass er so vollkommen wach und aktiv seine Körperfunktionen nicht mehr unter Kontrolle hatte. Aber ich musste mir wenigstens keine Sorgen machen, ihn nicht zu hören, wenn er was wollte. Seine kleine Freundin Nori lag immer öfter bei ihm und gab sofort Bescheid wenn irgendwas los war. Sehr berührend die beiden so zu sehen.
 
Ich bin eigentlich jemand, der kein Problem damit hat, seine Hunde natürlich sterben zu lassen, solange es friedlich und ruhig abgeht. Das war bis Anfang der letzten Woche auch noch der Fall.
Als ich als Hauptbezugsperson dann am Montag drei Tage weg fuhr, ist er vollkommen eingebrochen und hat sich auch nicht mehr erholt . Er konnte nicht mehr stehen und musste nun bei allem versorgt werden. Er hat sich problemlos füttern lassen, er hat über eine Spritze getrunken und hat wach alles von seinem Hundebett registriert, aber er jammerte nun fast nur noch, besonders wenn man ihn umgelagert hat. Er hat versucht so lange wie möglich einzuhalten, nicht verstehen können, warum er nicht aus eigener Kraft mehr aufstehen konnte und die Ruhe und das Selbstverständnis, mit der er alles tat, wich zusehends Angst und Unsicherheit.
Ich war in einem echten Konflikt, schnell wieder die alte Sicherheit für ihn aufzubauen, damit sich alles normalisiert und es wieder ruhig wurde oder ihn gehen zu lassen. Einen Hund, der vollkommen wach ist und der noch immer aktiv am Leben teilnimmt. Das fand ich schwierig und ich suchte die Antwort wie es für ihn am besten war. 
Gestern sehr früh wachte ich wieder auf, weil er jammerte und um Hilfe bellte und ich saß lange mit Nori bei ihm. Wir haben gekuschelt und er hat lange ruhig mit seinem Kopf in meiner Hand da gelegen und wohlig gebrummt und irgendwann hörte ich mich sagen:
 
"Weißt Du Mo, wir sind beide sehr pflichtbewusst und wir können das nun noch bis zum bitteren Ende durchziehen und ich denke es wird bitter für uns alle, aber wir wissen beide, wir können das. Aber ich denke heute ist ein guter Tag zum Sterben. Du hast schon viel zu oft bewiesen, dass Du alles tapfer erträgst und in einem Gefängnis leben kannst und nun darf es auch mal leicht und einfach gehen und wir beide müssen auch mal lernen, Hilfe anzunehmen."
 
Die Antwort war auf einmal so ganz klar und selbstverständlich da und ich hatte den Eindruck, danach war er deutlich ruhiger.
Auch als wir ihn mit seinem Hundebett ins Auto trugen, blieb er ruhig und interessiert. Damit er keine Angst bekam, was denn nun wieder ist, gab ich ihm zu trinken, fütterte ihn mit kleinen Leckerbissen während der Fahrt und hielt ihn fest.
Leider war es nicht möglich, ihn zuhause einzuschläfern, da der TA zu weit weg wohnt und so entschieden wir, dass er im Auto gehen durfte. 
Er war wach bis zum Schluss und vollkommen ruhig. Als der TA kam und ihm seine Beruhigungsspritze gab, schaute er mich ein letztes Mal an, legte seinen Kopf entspannt zur Seite und änderte seine Position auch nicht mehr, bis alles vorbei war.
Ruhig, wie immer voller Vertrauen schien er zu sagen:
 
 
O.k. so machen wir es und genau so ging er dann auch, am 16.07. 2016 um 11.52 Uhr.
 
Es war richtig und ganz selbstverständlich und ich danke dem TA, der Mo routiniert und trotzdem mit viel Respekt und Mitgefühl begegnet ist. So war es leicht und sehr friedlich. 
Wir haben ihn selbst ins Krematorium vom Rosengarten nach Brandenburg gefahren und werden einen schönen Platz hier für unser Möchen finden, wenn er zurück kommt, vermutlich in der Nähe seines heißgeliebten Hauseingangs.
 
Lieber Mo, wir alle hier sind traurig, dass wir Dich loslassen mussten. Wir alle vermissen Dich und auch heute ist es gespenstisch ruhig hier. Aber wir alle gönnen Dir Deine Ruhe und Deine neue Freiheit und wissen, wir haben das richtige getan und Dich endlich befreit aus Deinem Körpergefängnis und Du sollst wissen, wann immer Du uns besuchen möchtest, Du bist uns jederzeit willkommen.
Aber leb und feiere Dich nun erst mal selbst und hole unbedingt alles nach, was man nun ohne einen geschundenen Körper so tun kann.
Danke für die Lektion in Demut und Einfachheit.
Ich werde mich über diese Begriffe immer mit Dir verbunden fühlen und in ewiger Liebe an Dich und unsere zugegebenermaßen nicht immer einfache Zeit zurückdenken. Du warst ein ganz besonderes Seelchen mit einer großen Präsenz und Ausstrahlung. Und nichts von alledem, was Dir in der Vergangenheit passiert ist, hat verhindern können, dass Du die Menschen, die Dir begegnet sind, im Herzen hast berühren können.
Ich denke nicht, dass man mehr erreichen kann hier und ich danke Dir für Dein Vertrauen und Deine Loyalität.
Danke, dass Du mein Freund warst und weißt Du was? Ich bin mir manchmal nicht mehr so sicher, wer wessen Seele mehr in Ordnung bringt, ich Eure oder Ihr meine? Ich glaube, wir helfen uns einfach gegenseitig. <3

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